Ansgar Heveling, selbstproklamierter „geschichtsbewusster Politiker“ der CDU-Bundestagsfraktion, hat in einem Gastkommentar im Handelsblatt den Kampf gegen die „Netzgemeinschaft“ ausgerufen. Mit einer Mischung aus martialischer Kriegsrhetorik und unverständlichen ‚Herr der Ringe‘-Analogien zieht er ins Feld. Er konstatiert: „Die mediale Schlachtordnung der letzten Tage erweckt den Eindruck, wir seien im dritten Teil von ‚Der Herr der digitalen Ringe‘ angekommen, und der Endkampf um Mittelerde stehe bevor. Das ist die Gelegenheit, schon jetzt einen vorgezogenen Nachruf auf die Helden von Bits und Bytes, die Kämpfer für 0 und 1 zu formulieren. Denn, liebe ‚Netzgemeinde‘: Ihr werdet den Kampf verlieren. […] Auch die digitale Revolution wird ihre Kinder entlassen. Und das Web 2.0 wird bald Geschichte sein. Es stellt sich nur die Frage, wie viel digitales Blut bis dahin vergossen wird.“
Was genau uns Herr Heveling mit auf den Weg geben will ist nicht klar verständlich. Fest steht erstmal, dass er dagegen ist, und dass dieses Internet mit ihrer Digitalisierung nur eine Modeerscheinung sein kann. Doch es geht, so auch klar, um vielmehr. Es geht nämlich um den befürchteten Untergang des Bildungsbürgertums, ach was – des Bürgers überhaupt. Heveling redet vom ‚citoyen‘ der französischen Revolution, der das Idealbild des freien Menschen darstelle, selbstbestimmt und unabhängig von den bis 1789 herrschenden Klassen. Die Parole war allerdings nicht „Freiheit, Demokratie und Eigentum“, wie Heveling zitiert, sondern vielmehr ‚liberté, égalité, fraternité‘: ‚Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit‘. Den so hochgelobten ‚citoyens‘ ging es gerade darum, den jahrhundertealten Begriff des Eigentums im Sinn der Besitzstandswahrung zu bekämpfen: Wenige haben viel, viele haben wenig. Es ging um einen Begriff, der in der französischen Revolution wie in der Netzgemeinde als hoch angesehen gilt: Um das gerechte Teilen, die Brüderlichkeit.
Der ‚geschichtsbewusste Politiker‘ interpretiert die Historie ein wenig eigenwillig, vielleicht auch eigennützig. Doch die Reaktionen im Netz – beispielsweise auf Twitter unter #HevelingFacts – zeigen: Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Bloß dumm, wenn sie direkt in den Antrieb fallen.
Stellt sich zu guter Letzt nur die Frage, warum Herr Heveling Mitglied der Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft ist. Dahin gehört er allem Anschein nach mit Sicherheit nicht.
Den Gastkommentar von Herrn Heveling findet ihr hier:
http://www.handelsblatt.com/meinung/gastbeitraege/gastkommentar-netzgemeinde-ihr-werdet-den-kampf-verlieren/6127434.html